Wales
lernte ich in meinem Praktikumsjahr bei der Robert
Bosch Ltd. 1993/1994 kennen. Bevor ich aber etwas
über mein Jahr in Wales berichte, möchte ich doch
zunächst einen kleinen geschichtlichen Abstecher
machen.
Historisches
- oder warum die Waliser die Engländer nicht mögen
Zuerst
begann alles recht friedlich. Vor rund dreitausend Jahren
zogen die ersten keltischen Stämme auf die britischen
Inseln. Die Druiden, die bestimmt jedem bekannt sind, waren
die bekanntesten Vertreter dieser Kultur. Sie waren die
Berater ihres Stammes in geistigen, geistlichen und weltlichen
Fragen.
Im
Jahr 34 vor Null fielen die Römer in Britannien ein und
merzten die - in ihren Augen - barbarischen Bräuche und
Religionskulte weitestgehend aus. Allerdings blieben die Römer
im Großen und Ganzen im Süden und in der Mitte
Britanniens. So blieb die keltische Kultur im unwirtlichen
und gebirgigen Westen fast unberührt. Nach dem Niedergang
des römischen Reiches gelangten christliche Missionare
aus Irland nach Wales. Ihr Gedankengut vermischte sich
mit dem der Kelten.
Aber
dann zogen neue Invasoren auf die britischen Inseln: Angelsachsen
und Jüten. Cornwall und Wales bildeten ursprünglich
einen einheitlichen Siedlungsraum. Durch ständige Stammesfehden
war Wales zerstritten. So war es ein leichtes für
die Angelsachsen, das Land unter ihrer Kontrolle zu halten.
Als Zeichen der politischen Entwicklung wurde der Offas Dyke
im 8. Jahrhundert errichtet. Der Wall kennzeichnet auch heute
noch die Grenze zwischen England und Wales. Unter Roderich
wuchs Wales 876 politisch endlich zusammen. Doch schon bald
nach seinem Tod begannen die Streitigkeiten untereinander
von vorne. Die politische Einigkeit zerfiel wieder. Es
drohte neue Gefahr einer Invasion: Dieses Mal waren es die
Wikinger. Man bat den angelsächsischen König Alfred
den Großen um Hilfe. Doch diese Hilfe hatte englische
Herrschaftsansprüche zur Folge.
Im
10. Jahrhundert schaffte es erneut ein walisischer Herrscher,
Hywel der Gute, Wales zu einem starken Reich zu vereinigen.
Er führte sogar einen schriftlichen Gesetzeskodex ein.
Doch wie sollte es anders sein... Nach seinem Tod verfiel
das Reich wieder. 1066 fielen die Normannen in England ein
und Wales stand wieder unter fremder Herrschaft. Doch fast
200 Jahre später wurden die Normannen von Lywely dem
Großen wieder vertrieben.
Gegen
Ende des 13. Jahrhunderts wurden Lywelyn dem Letzten die Rechte
und Grenzen seines Reiches durch Henry III. bestätigt.
Doch dies war ihm nicht genug. Er wollte die Engländer
ganz aus Wales vertreiben. So kam es 1276/77 zum ersten Unabhängigkeitskrieg.
Aber die Waliser unterlagen den Engländern. Auch wenige
Jahre später, im zweiten Unabhängigkeitskrieg, unterlagen
die Waliser den Engländern. Somit wurde das walisische
Schicksal besiegelt und Wales stand nun endgültig unter
englischer Herrschaft.
Unter
Edward I. entstanden viele der Festungen - wie in Conway,
Harlech und Caernafon - in Wales. Auf diese Weise versuchte
er sich das Land zu erschließen. Er war es, der 1301
seinen in Caernafon geborenen Thronfolger zum Prince of Wales
ernannte. Diesen Titel hat seitdem jeder englische Thronfolger
inne. Mit dieser Ernennung übertrug er seinem Sohn seinen
gesamten walisischen Besitz. Edward versuchte auf diese Weise
die Herrschaftsansprüche endgültig zu klären.
Doch die Waliser wollten ihre Unabhängigkeit von den
Engländern und somit gingen die Kämpf weiter.
Der
walisische Aristokrat Owain Glyndwr erklärte sich 1400
zum Prince of Wales. Kymrisch wurde Amtssprache und die walisische
Kirche wurde frei von englischem Einfluß. Doch auch
Owain konnte sich gegen die Engländer nicht behaupten.
Mit der Regierung Heinrichs VIII. wurde Wales dem englischen
Königreich angegliedert und Englisch zur einzigen Amtssprache
ernannt. Jedoch konnten die Engländer das walisische
Nationalbewußtsein nicht ausmerzen: Die Bibel wurde
ins Walisische übersetzt und es entstanden die ersten
Freikirchen.
Die
Industrialisierung im 19. Jahrhundert verhalf Wales zu einer
unvergleichlichen Blütezeit. Es wurde zu einem der wichtigsten
Bergbauzentren und verkaufte weltweit Kohle, Blei, Eisenerz
und Kupfer. Leider hielt diese Blütezeit nicht allzu
lange an. Die sozialen Mißstände, die mit der industriellen
Revolution aufkamen, führten zu den Arbeiterbewegungen.
In der heutigen Zeit haben sich viele ausländische Unternehmen
- wie Bosch und Sony - angesiedelt. Die walisische Kultur
und Sprache wird auch heute noch gefördert. So sind alle
Ortsschilder und amtlichen Formulare zweisprachig: Walisisch
und Englisch. Es gibt sogar einen walisischen Fernsehsender.
Allerdings
ist Englisch im Süden - durch die Ansiedlung ausländischer
Unternehmen - sehr weit verbreitet. Im Norden hingegen wird
überall in der Öffentlichkeit Walisisch gesprochen.
Da sich Walisisch dem Englischen überhaupt nicht ähnelt,
kommt man sich manchmal recht verloren vor. Aber dies wird
durch die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Waliser wieder
wett gemacht.
Fortsetzung
folgt....